Integration im Kindergarten fördern: Ausgerechnet mit Mathematik?!

Wir wünschen uns für alle unsere Kinder eine unbeschwerte Kindheit, eine natürliche Entwicklung und gleiche Startchancen in der Schule. Wir wissen auch, dass die Grundlagen bei allen Kindern dafür in den ersten fünf Lebensjahren gelegt werden.

Die aktuellen Herausforderungen machen das ganz schön schwer: Der riesige Integrationsbedarf von Kindern trifft auf Mangel an Personal und Ressourcen.

Tatsächlich bewährt sich gerade Mathematik als Katalysator für Integration, egal ob für Kinder aus anderen Kulturkreisen oder aus schwierigen Verhältnissen. Jawohl, Mathe! Solange sie kindgerecht ist.

In diesem Artikel möchte ich zeigen, warum das so ist und – natürlich – wie einfach die guten Dinge einfach geschehen können. Es gibt auch was zum Ausprobieren.

Warum sind die ersten fünf Lebensjahre so wichtig?

Es gibt zwei Gründe, warum die ersten fünf Lebensjahre so wichtig sind:

Grund 1 Unser Gehirn ist in dieser Zeit so aktiv wie nie wieder danach. Es findet ein regelrechtes Feuerwerk statt: Alles mögliche wird ausprobiert, Zusammenhänge hergestellt, Altes verworfen, … mit allen Sinnen und dem ganzen Körper stürzen sich die kleinen Menschen in das Abenteuer Leben.
Je vielfältiger und facettenreicher die Erfahrungen, desto dichter das Netz an Neuronen, desto leichter und mehr Wissen und Fähigkeiten können später angebaut werden: Wir assoziieren ständig und suchen nach Zusammenhängen: Ah, das ist doch so ähnlich wie…
Übrigens spielen auch Emotionen eine riesige Rolle dabei.

Grund 2 Mit (meist) 6 Jahren wird aus dem Kindergartenkind ein stolzes Schulkind, das jetzt endlich groß ist. Der Übergang vom Kindergarten in die Schule ist ein riesiger Schritt für Kinder! Sie sind jetzt Schulkinder, die in der Schule zurecht kommen und von den Lehrern gelobt werden wollen. In DEN Fächern der ersten Klasse: Lesen, Schreiben, Rechnen. Daraus ziehen sie ihr Selbstwertgefühl, ihre Motivation zu lernen – auch für später.
Es ist deshalb wichtig, dass Kinder sich VORHER alles angeeignet haben, was sie für einen erfolgreichen Schulstart brauchen. Das ist neben Sprache als Schlüssel zur Bildung ein gewisses mathematisches Grundverständnis. Extrem wichtig sind aber auch Schlüsselkompetenzen für die Schulfähigkeit und auch die Pausenhoftauglichkeit.

Die meisten Kinder freuen sich auf die Schule, aber wenn es schlecht läuft, bekommen sie von zuhause Angst vor Mathematik gleich mit eingepackt. Mathe ist ja so ein polarisierendes Thema…

Warum Mathematik im Kindergarten für Integration?

Jedes Kind möchte dazu gehören, mitmachen können und sich einbringen, selbstwirksam sein. Bei Mathematik im Kindergarten geht das, unabhängig von Muttersprache oder familiärem Hintergrund. Das konnte schon Dr. Gerhard Friedrich in einem vielbeachteten Forschungsprojekt nachweisen (peer-reviewed veröffentlicht)

Denn wir alle kommen mit dem gleichen mathematischen Grundwissen auf die Welt: Wir alle können schon als Baby Mengen von 1,2,3 Elementen unterscheiden, wissen auch das es jeweils 1 mehr/weniger ist. Alle Mengen darüber hinaus sind erst mal „viele“ für uns. Säugetiere können das übrigens auch, weil es für das Überleben wichtig ist.
Wir haben also alle das gleiche Ausgangswissen, und darauf können wir aufbauen. Wenn wir es kindgerecht angehen! Dazu gleich mehr.

Mathematik ist eine Sprache, die jedes Kind lernen kann und will

Machen wir uns mal klar – jenseits von wilden Formeln, mit denen wir in der Mittelstufe jongliert haben, ist Mathematik zunächst einmal eine Sprache, die wir täglich nutzen:

  • Wie viele Teller wir für alle Esser brauchen,
  • wie viele Eier wir schon haben und wie viele wir noch brauchen für unser Gericht
  • welche Kartoffeln gleich groß sind,
  • ob die Tasse auf, neben, hinter oder sogar unter dem Teller steht,
  • ob etwas schwerer/leichter, größer/kleiner, länger/kürzer… ist,
  • beim Einkaufen usw usw

Wir nutzen Mathematik als eine Sprache, mit der wir unsere Welt und ihre Zusammenhänge beschreiben! Ganz konkrete Dinge und ganz konkrete Zusammenhänge. Und weil Kinder uns nachmachen und alles können wollen, was wir auch können, wollen sie eben auch die Sprache der Mathematik lernen. So einfach.

Nun ist diese Sprache der Mathematik glücklicherweise überall auf der Welt gleich (bis auf wenige Naturvölker): Vier ist immer eine Menge von vier Dingen, es gilt das Muster von immer eins mehr, 4+4 ist überall 8, ein Kreis oder Dreieck sieht auch überall gleich aus. Übrigens kann man ja mit nur 10 Ziffern jede beliebig große Zahl zusammensetzen! Das ist ganz schön cool…

Merken wir uns: Wenn wir unseren Kleinen Mathematik anbieten, dann drücken wir ihnen nichts auf, im Gegenteil bedienen wir damit die natürliche Entwicklung unserer Kinder! Sowieso lassen sich Kinder nichts aufdrängen. Sie haben großartige Selbstschutzmechanismen und interessieren sich erst dann für etwas, wenn sie bereit dafür sind!

Sprache ist der Schlüssel zur Bildung – und Mathematik damit auch

Es gibt ja diesen Satz „Sprache ist der Schlüssel zur Bildung“ – und da ist sehr viel dran: Einerseits muss ich Dinge, Texte usw. verstehen, andererseits muss ich mich auch ausdrücken können. Und weil Mathematik auch eine Sprache ist, ist sie ein Schlüssel zur Bildung!

Gerade haben wir uns klargemacht (oder daran erinnert), dass Mathematik auch eine Sprache ist: Einerseits kann ich Zahlen und Ausdrücke verstehen, damit umgehen und Ergebnisse ermitteln. Andererseits kann ich mich eben auch ausdrücken. Das lässt sich durchaus mit Lesen und Schreiben vergleichen!

Wenn unsere Kinder also fit in ihrem mathematischen Grundverständnis werden, haben sie einen weiteren Schlüssel zur Bildung in der Hand!

Mathematik kann mehr

… und das macht sie so attraktiv für eine gute Entwicklung von Kindern und insbesondere für Integration:

Mathematik kennt keine Sprachbarriere.
Verlässlichkeit: Vier besteht immer aus vier Elementen, egal ob Äpfel, Rosinen oder Elefanten und egal ob nebeneinander oder aufeinander. Die Reihenfolge der Zahlen ist immer die gleiche. 4+4 ergibt immer 8. Ein Viereck hat immer vier Ecken, egal mit welchen Winkeln oder wie groß. Daraus schöpfen Kinder Sicherheit und finden einen Ort der Verlässlichkeit.
Schönheit: Muster jeder Art, Symmetrien empfinden wir als ästhetisch. Auch hier erkennen wir Regeln, die verlässlich sind und die Vorhersagbarkeit schaffen.
Mathematik ist überall um uns herum.

Mathematik als Brückenbau

Alle Kinder kommen also mit dem gleichen Grundwissen von „1,2,3, viele“ auf die Welt und wenn es nach unserem prähistorischen Gehirn ginge, würde das auch völlig ausreichen. Nun haben wir aber diese formale, abstrakte Sprache der Mathematik entwickelt, die bekanntermaßen weit über 4 hinausgeht.
Irgendwie müssen Kinder also eine Brücke bauen von ihrem angeborenen Verständnis hinüber zu dieser abstrakten, formalen Sprache….

Und genau auf diesen Brückenbau kommt es an!! Jedes Kind baut ganz allmählich aus allen seinen Erfahrungen und Gefühlen eine eigene Brücke. Es beginnt auf der einen Uferseite, in seiner konkreten, phantasievollen und hoch emotionalen Welt, in der alles lebendig ist (Kuscheltier). Alles Erlebte, Erforschte, Gelernte wird angebaut an das, was schon da ist – inklusive positiven oder negativen Gefühlen – und ergibt innere Bilder.

Mit der Zeit mischt sich immer mehr abstraktes Denken dazu und irgendwann kann daraus hoffentlich eine solide Brücke zur formalen Sprache der Mathematik werden. Bei manchen wird es später vielleicht ein Meisterwerk der höheren Mathematik. Das Minimum für den Alltag ist eine solide Basisbrücke, die später auch Rechnen im Dreisatz erlaubt. Es kann aber auch eine lückenhafte, instabile Brücke heraus kommen, die im schlimmsten Fall nicht mal das andere Ufer erreicht.

Gelingen kann das nur, wenn wir unseren Kindern nichts überstülpen, sondern sie ihre Brücke selber bauen können. Das heißt Spielen, Spielen, Spielen, sich unterhalten, anfassen, ausprobieren, alles miteinander verbinden…

Alle Kinder starten mit dem gleichen Wissen und lieben Mathematik, sie mit konkreten Dingen hantieren und Mathematik diese Extras hat,

Was hat das jetzt mit Integration zu tun?

Mathematik kann schon deshalb zur Integration beitragen, weil sie im Alltag so omnipräsent ist. Wir haben eigentlich andauernd Gelegenheiten, die Sprache der Mathematik zusammen mit konkreten Dingen zu nutzen. Das macht Spaß, alle können sich einbringen und werden verstanden!

Allerdings begegnen Kindern die Zahlen in sehr unterschiedlicher Art und Weise, die ganzen Aspekte von Zahlen sind ganz schön komplex! Kinder brauchen also Zeit und Gelegenheiten, alle verschiedenen Bedeutungen zu verstehen und – ganz wichtig – zu organisieren und strukturieren. Nur so entstehen mit der Zeit korrekte und vollständige innere Bilder, die Erfolg mit der Schulmathematik ermöglichen.

Komm mit ins Zahlenland

Das Konzept „Komm mit ins Zahlenland“ bewährt sich in dem Zusammenhang besonders – und das seit 2004 im deutschsprachigen Raum und international. Dr. Gerhard Friedrich kombiniert hier Erkenntnisse aus Hirnforschung, Entwicklungspsychologie und Elementarpädagogik (das WIE) mit den wichtigen Inhalten zu Zahlen, Mengen, Formen (das WAS). Was brauchen Kinder? Wie lernen sie? Wie ticken sie? Was können sie verstehen? Was mögen sie? Wie sehen sie die Welt?

Und so geht’s: Wir spielen, dass die Zahlen 0 bis 10 lebendig sind und ein Zuhause haben – genau wie wir auch. Gemeinsam erforschen wir dieses Zuhause mit den Häusern, Gärten, Blumenbeeten, Nachbarn, die Straße, an der die Zahlen wohnen. In die Gärten darf nur rein, was dazu passt bzw. wofür wir gute Gründe finden. Manchmal stiftet jemand Durcheinander, Fehler sind also normal, aber es wird alles wieder gut… Geschichten, Lieder, kreatives Gestalten, Bewegungsspiele, Allgemeinwissen – alles kann mit einbezogen werden. Ob als Gruppenprojekt, im Stuhlkreis und/oder in einer Spielecke ähnlich einer Puppenecke, die Kinder haben Lust drauf und machen automatisch ihre wichtigen mathematischen Erfahrungen.

Kinder finden hier die Mathematik, für die sie sich ja interessieren, zusätzlich emotional aufgeladen als handfestes Spielen. Und es gibt so unglaublich viel zu besprechen, zu diskutieren und sich zu einigen: „Ich will der Vier 4 Knöpfe schenken. Drei habe ich schon, wie viele fehlen mir noch?“ „Ach, die Kuh hier kann auch zur Vier. Sie hat ja 4 Beine.“ „Und zwei Augen, dann darf sie auch zur Sechs!“ Jedes Kind kann da mitmachen, auch wenn es die Sprache noch nicht kann, es lernt sie so sehr schnell! Erlebt habe ich das selbst, wenn ich mit Kindern in Estland oder in Südamerika Zahlenland gespielt habe und wir jeweils die andere Sprache nicht konnten.

Dr. Gerhard Friedrich hat in seinem Forschungsprojekt den Effekt belegt, dass Kinder in nur zehn Wochen ein ganzes Jahr gewinnen können – sowohl bei den mathematischen Vorläuferfähigkeiten als auch in der Sprache, egal was für einen sozio-ökonomischen Hintergrund sie hatten.

Wichtiger ist es aber eigentlich, dass sich das in der Praxis seit 2004 bestätigt! In vielen zahlreichen, immer ganz individuell umgesetzten Zahlenlandreisen rund um die Welt, auch und gerade auch bei Kindern mit Fluchterfahrungen oder anderen Traumata.

Neugierig geworden und Lust auf Ausprobieren bekommen?

Sind Sie neugierig geworden sind und wollen das Zahlenland vielleicht einfach mal ausprobieren? Dann laden Sie sich doch gern mal mein kostenloses Probierset zur Zahl Eins als pdf-Datei runter.

Es beinhaltet alle verfügbaren Materialien für Kindergarten und Grundschule, suchen Sie sich also aus, was für Ihre Kinder passt. Und dann probieren Sie einfach mal aus, was passiert und wie Ihre Kinder reagieren! Auf die Idee, dass die Zahl Eins ein Zuhause hat genau wie wir …

Das Probierset ist wie alle anderen Materialien optional. Sie können alles selbst gestalten, warum nicht sogar zusammen mit Ihren Kindern? Es gibt aber auch fertige, langlebige Materialien aus Holz von HABA.

Sehr gern können Sie sich auch jederzeit und völlig unverbindlich bei mir melden mit Ihren Fragen oder Anliegen.

Es ist mir ein Anliegen, zu gleichen Startchancen unserer Kinder beizutragen und Sie in Ihrer Arbeit zu entlasten! Und ich weiß, wie schön und einfach das sein kann.

Ihre Barbara Schindelhauer

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